Ulf
Moritz - der Avantgardist will mit seinen Stoffen
verführen. Dabei stellt der innovativste
Kopf der Branche die Heimtextiler gerne vor immer
neue Herausforderungen. Bei einem Besuch in seinem
Amsterdamer Domizil sind wir auf der Suche nach
dem Trend der nächsten Saison.
Prinsengracht.
Im Herzen von Amsterdam. Hier pulsiert das Leben.
Draußen quält sich müheselig
über holpriges Kopfsteinpflaster der Verkehr
vorbei. Autos, Touristen und Fahrräder
- die typische Melange der niederländischen
Metropole. Nur einige Fußbreit weiter
fließt träge die Gracht, derentwillen
Ulf Moritz hier sein Domizil aufgeschlagen hat..
Hausboote dümpeln auf dem trüben Kanal
und verleihen der Straße ihren anheimelnden
Flair.
Umgeben
von einem kreativen Chaos und einer illustren
Nachbarschaft lässt es sich hier gut leben
- und besonders gut kreativ arbeiten. Ulf Moritz
macht es vor. Seit Jahren ist er unangefochten
der Stardesigner der Heimtextilien-Branche,
Avantgardist und ihr kreativster Kopf. Seine
einzigartigen Kreationen sorgen jedes Mal aufs
neue für Überraschungen, sie setzen
Trends. Mit einer Saison Versatz ist ihm die
Branche auf den Fersen, teilweise mit billigen
Imitationen und einfach gestrickten Nachahmungen,
die dem Designer ein einziger Horror und gleichzeitig
auch ein Kompliment für seine Arbeit sind.
Doch der tüftelt derweilen bereits an neuen
Entwicklungen und Erfindungen, mit denen er
den Textilern das nächste Schnippchen schlagen
kann.
Jedes
Jahr entstehen unter seiner Ägide aufsehenerregende
Stoffe und neuartige Gewebe, die das Publikum
begeistern und die Branche vor neue Probleme
stellen. "Ich erfinde Stoffe, die es noch
nicht gibt", sagt Moritz und verweist damit
zugleich auf die ungewöhnliche Kombination
der Materialien und auf die Kunstfertigkeit
der Produktion. Baumwolle, Leinen, Seide, Zwirne
und Garne selbst aus Papier und Bast, mal duftig
leicht und filigran, schwebend, dann durchlöchert,
gekräuselt und verfilzt - Virtuosität
und Variationsbreite kennen keine Grenzen. Da
wird unter seiner Anleitung und Erfindungsgabe
auf alten Maschinen gewebt, neue Verfahren entwickelt,
gedruckt, gestickt und beklebt, dass es eine
helle Freude ist. Das Ergebnis sind sinnliche
Stoffe, die ihresgleichen suchen.
Moritz
bedient sich in seinem Perfektionsdrang gerne
der Meisterschaft kleiner Fabriken und traditioneller
Manufakturen. Das Leinen kommt aus Belgien.
Gedruckt wird in Italien, gewebt in der Schweiz,
dort, wo die besten Spezialisten zu Hause sind.
Zuweilen werden an der Nähmaschine und
am Handwebstuhl vergessene Techniken wiederbelebt.
Bei aller Einzigartigkeit ist es jedoch das
Ziel, die Stoffe für den normalen Konsumenten
bezahlbar zu halten. Moritz versteht sich in
diesem Sinne als "Industrial Designer"
und als Marketingmann im Dienste eines Unternehmens.
"Ich mache keine Kunst, sondern Dinge,
mit denen man seine Umgebung verschönern
kann - und die zu erschwinglichen Preisen."
Was
wird die Farbe der kommenden Saison, wollen
wir wissen. Der Designer winkt ab. "Ehrlich
gesagt: Ich weiß es noch nicht. Es ist
ein Prozess, der noch läuft." Im Frühjahr
nächsten Jahres könnte er es uns verraten.
Vielleicht ein winziger Tipp am Rande? "Nach
Grau und Einfarbigkeit sollte es ein bisschen
lustiger werden und dabei könnte ein bisschen
Farbe doch nicht weiter schaden", erklärt
sich Moritz verschmitzt. Und unsere Fantasie
beflügelnd verrät er noch die Namen
zweier Stoffe, die es im nächsten Jahr
geben wird: "Loreley" und "Allerleirau".
Alles klar?
Farben,
Drucke, Stil, Muster, Verarbeitung. Moritz,
das quirlige Multitalent überlässt
nichts dem Zufall, alles ist gewollt und sein
Wirkungskreis schier unüberschaubar: Stoffe,
Gardinen, Teppiche, Möbel und allerlei
bezaubernde Accessoires gehören wie selbstverständlich
zu seinem Portfolio. Mit einigen Firmen ist
er groß geworden, einige Firmen haben
unter seiner kreativen Hand Profil gewonnen.
Zur Zeit ist er bei SAHCO Hesslein unter Vertrag
und entwirft dort seit nunmehr 12 Jahren mit
ungebrochener Zuverlässigkeit die schönsten
Stoffe der Welt. Möbel kreiert er für
Montis und "Team" by Wellis, Accessoires
für Art-Line und seit neuestem Teppiche
bei MID.
Sahco
Hesslein hat mit seiner Hilfe eine Stellung
als anerkanntes Unternehmen mit einem steigenden
Absatz rund um den Globus erreicht. Die Stoff-Kollektion
besitzt eine rasch wachsende Fangemeinde. Moritz
hat es freilich bei den Nürnbergern auch
nicht beim Stoffdesign allein belassen, sondern
hat das visuelle Erscheinungsbild der Firma
geformt und die gesamte Corporate Identity durchgestaltet,
Logo, Anzeigen und Prospekte gehen auf sein
Konto, Produktausstattungen, Fotos, ja selbst
die Präsentationen, mit denen man auf den
internationalen Messen Farbe bekennt. "Ich
gestalte gerne alles mit", gesteht Ulf
Moritz. "Um erfolgreich zu sein, reicht
eine gute Kollektion nicht aus. Alles muss aus
einem Guss sein - von den Musterbüchern
bis zu den Anzeigen."
Die
nächste Herausforderung: Tapeten für
Marburger. "Die Welt der Tapeten ist grausam",
bekennt der Designer und schüttelt sich.
"Uninspiriert, konservativ und langweilig."
Mit dem Russenboom hat man notwendige Innovationen
völlig verpennt. Es gibt viel zu tun und
Moritz nimmt jede ernstgemeinte Herausforderung
an. Seine Kreativität ist unerschöpflich,
und es ist sein erklärter Wille, stets
und überall, mit dem, was er gestaltet,
der Beste zu sein.
Heute
nach langen Jahren harter Arbeit ist sich der
Designer seines Marktwertes voll bewusst. "Ich
behalte mir jegliche Freiheit für meine
kreative Arbeit vor." Da redet ihm niemand
mehr herein." Wer wollte das? Wer auf Ulf
Moritz setzt, setzt auf eine sichere Karte.
Geschmackssicher und ideenreich hat der seine
Nase bislang stets im Wind und sorgt für
exzellente Geschäfte.
Mailand
ist am Telefon. Kurz darauf New York. Ulf Moritz
eilt hin und her, springt gedanklich von einem
Projekt zum nächsten, gibt kurz, klar und
professionell seine Anweisungen. In seinem Amsterdamer
Atelier laufen die Fäden zusammen. Unten
im kühlen Ambiente eines lichtdurchfluteten
Geschäftslokals finden am Glastisch die
Besprechungen statt, ein Stockwerk darüber
entsteht im kreativen Chaos von unzähligen
Materialproben, Entwürfen und Skizzen,
Prospekten und Fotos die neue Kollektion. Wohnungen
besitzt er neben Amsterdam auch in Paris und
Mailand. Moritz ist erklärter Weltenbürger.
Dem vergleichbar und artverwandt auch das Publikum,
für das er seine Stoffe entwirft; weltoffen
und ästhetisch, kreativ und jung. "Am
liebsten stelle ich mir dann jemanden vor, der
gar nichts mit Gardinen und Bezugsstoffen zu
tun haben will. Den möchte ich mit meinen
Kreationen verführen."
Der
Besprechungsraum auf der Prinsengracht verrät
rein gar nichts vom Faible und der Meisterschaft
der Ausnahmeerscheinung Ulf Moritz. Eine Glasfassade
wie bei einem Ladenlokal, blankgeschrubbter
Betonfußboden, die weißgekalkte
Wände, eine Palisadenwand aus wuchtigen
Holzstämmen durchteilt den Raum, rund um
den Glastisch wartet eine kleine Sammlung von
verrückten Designer-Stühlen auf Besucher.
Von Textilien ist hier nichts zu sehen. Kein
noch so kleines Muster. Nicht ein einziges Fitzelchen.
Das modische Understatement freilich sorgt für
einen klaren Kopf, denn der Designer trägt
sich bereits mit der neuen Kollektion, während
die aktuelle erst gerade in die Produktion geht.
"Ich bin auf der Suche nach dem Neuen,
da kann ich Altes nicht mehr gebrauchen."
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