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Sein Ruf eilt ihm voraus

Weingut Koehler-Rupprecht in Kallstadt ist das Basiscamp des "fliegenden Winzers": Bernd Philippi
Müdigkeit ist ihm ins Gesicht geschrieben. Kein Wunder: Bernd Philippi ist in der Nacht erst aus Südafrika zurückgekehrt, wo der Pfälzer Ausnahmewinzer zusammen mit seinem Kollegen Bernhard Breuer einmal wieder nach dem Rechten gesehen hat. Denn der umtriebige Philippi ist Reisender in Sachen Weinbau. Inspirierend. Engagiert. Und dabei auch noch unerhört erfolgreich.

Seit er vor Jahren die Hochschule in Geisenheim verlassen hat, treibt es ihn immer wieder von Kallstadt aus in die Ferne, um seine revolutionären Ideen von einem low-tech Weinbetrieb zu vermitteln. Es gab sogar Zeiten, da jettete er ein- oder zweimal pro Jahr um die Welt, um auf den Stationen seine Duftmarken zu hinterlassen.

Der neueste Coup: Das Weingut Mont du Toit in Wellington. Seit er vor drei Jahren dem Gutbesitzer, der von Hause aus als angesehener Anwalt vom Weinmachen kaum etwas versteht, tatkräftig unter die Arme greift, hat der Wein einen kometenhaften Aufstieg getan. Philippi hatte mal wieder den richtigen Riecher.

Der erste von ihm "gemachte" Wein - ein Cuvee aus Cabernet Sauvignon, Merlot und Shiraz aus dem Jahre 1998 - wird bei Degustationen als zweitbester Wein nach dem legendären Opus One 1996, einem Joint Venture-Produkt von Mouton-Rothschild und Mondavi, erkannt. Seither reißen sich Weinfexe auf der ganzen Welt um die paar Flaschen, die aus Wellington kommen. Mont du Toit gehört zu den Mega-Roten, die mit ihrem individuellen Charakter, mit Frucht, Kraft und Finessen die Weinwelt betören.

Bernd Philippi kann den Rummel nicht so ganz verstehen. Er ist mit dem ersten Ergebnis zwar ganz zufrieden, aber den Höhepunkt sieht er erst in ein paar Jahren auf ihn zukommen, dann nämlich, wenn die Ausbeute von 80.000 Flaschen auf die geplanten 150.000 Flaschen angewachsen ist. Denn eines der ersten Aktionen von ihm war es, komplett neue Weinstöcke anzupflanzen und vor allem den heruntergekommen Boden mit Tonnen von Mist und Kompost zu reanimieren. "Bei einem solchen Projekt sehe ich eine Entwicklungszeit von zehn bis 15 Jahren", schaut Philippi hoffnungsvoll in die Zukunft.

Was Bernd Philippi anfasst, verwandelt sich wie unter Zauberhand zu einem Kunststück oder Meisterwerk, je nachdem wie man es sieht. Dabei schwimmen die von ihm gemachten Weine ganz und gar nicht im Mainstream oder folgen gar aktuellen Modetrends. Sie haben alle ihren eigenen Charakter. Klassisch, saftig und körperbetont. Das Erfolgsrezept des Winzers? "Das Wichtigste passiert im Weinberg", sagt er achselzuckend, "ohne mein Zutun. Ich kümmere mich nur darum, dass die Reben die allerbesten Bedingungen vorfinden und dann lasse ich die Trauben bis zum allerletzten Moment auf dem Stock. Wir lesen selektiv und von Hand nur die wirklich guten und reifen Trauben." Das ist alles, behauptet der Pfälzer bescheiden und ohne eine Attitüde.

Im heimischen Betrieb bei Koehler-Rupprecht in Kallstadt ist das Konzept schon lange aufgegangen. Seit er 1986 in den Familienbetrieb zurückgekehrt ist und das Ruder übernommen hat, gehören Weine von Koehler-Rupprecht zu den Besten der Besten. Seine Rieslinge und Spätburgunder aus der Lage Saumagen sind exzellente Tropfen mit viel Kraft und Körper. Sie zählen zu den herausragenden Gewächsen Deutschlands, haben Weltniveau. "Wie der Herr so das Gescherr", sagt Philippi mit leiser Selbstironie und kommentiert mit einem Streich über seinen Leib die Wucht seiner Weine.

Bernd Philippi produziert daheim fast nur Spätlesen und Auslesen, die er allesamt im Holzfass ausbaut und mitunter auch dort länger als gewöhnlich liegen lässt. Das alte Holz - das älteste Fass stammt von 1889 - scheint den körperreichen Tropfen wirklich gut zu tun. Die meisten seiner Weine entfalten sich über die Jahre immer noch weiter. Sie haben ein erstaunliches Entwicklungspotential. Experimentierfreudig wie er ist, bietet der Pfälzer unter seinem Label auch holzbetonte in Barriques ausgebaute Rieslinge und Spätburgunder an. Dies ist urpfälzer Machart mit einer ungewöhnlichen Raffinesse.

Doch nicht genug: Parallel zu seinem Beratungsauftrag in Südafrika hat das eingespielte Team aus Bernd Philippi und Bernhard Breuer noch einen weiteren Supercoup gelandet. Der Zufall kam den beiden zu Hilfe, die seit Jahren schon erfolglos nach einem Engagement in Portugal Ausschau gehalten hatten. Im Mai 2000 war es soweit: Mit dem Weingut Quinta da Carvalhosa im Douro haben die beiden im Handstreich ein Weingut erworben, das mit seinen achteinhalb Hektar bester Weinbergslage zu den hoffnungsvollsten Errungenschaften der beiden Weinenthusiasten gehört.

Allerdings war vom ersten Moment an Philippis einzigartige Improvisierfähigkeit gefragt. Die wetterbedingten Schwierigkeiten wurde als Herausforderungen mit sportlichem Ehrgeiz angegangen. In Ermangelung des vorgesehen Fasslagers und einer unterspülten Strasse musste man beispielsweise mit einer Garage vorlieb nehmen.

Geschadet hat das dem Ergebnis kaum. Die erste Lese - übrigens noch in traditioneller Weise mit den Füssen getreten - hat ein exzellentes Ergebnis beschert. Philippis Fans lecken sich die Lippen und freuen sich auf die Fortsetzung. Jetzt nämlich baut man auf die nächsten Jahre, in denen Bernd Philippi zeigen möchte, dass die Basisqualitäten des portugiesischen Weins viel besser sind als die der spanischen Nachbarn und daher langfristig noch bessere Qualitäten hervorbringen werden. Das Fasslager ist inzwischen auch fertig und zugänglich. Philippis Augen blitzen. Er ist ein Überzeugungstäter. Er liebt den Nervenkitzel und die unermüdliche Suche nach immer dem besten Ergebnis.