Riesling vom Feinsten
Weinprobe im Angesicht der Wehlener Sonnenuhr
Riesling: Gläserklingen bei Dr. Manfred Prüm im Weingut Joh. Jos. Prüm an der Mosel

Geheimnisvoll hebt sich das um die Jahrhundertwende erbaute Jugendstilhaus an der Uferallee in Bernkastel-Wehlen von den angrenzenden Gebäuden ab.
Wir stehen vor dem traditionsreichen Weingut Joh. Jos. Prüm. Vor der Eingangstür des Gutshauses erstreckt sich eine breite Terrasse; darüber lächelt uns ein in Stein gehauener Bacchus an. Zur Linken erhebt sich ein kleines Türmchen auf dem Dach. In der Blauschieferfassade sind imposante Fenster eingelassen.
Vis-a-vis der berühmteste Weinberg der Mosel: Die Wehlener Sonnenuhr flankiert vom Graacher Himmelreich und von der Zeltinger Sonnenuhr.
Das Weingut Joh. Jos. Prüm zählt zu den Topadressen unter den deutschen Winzern. Mit 16 Hektar und einer Jahresproduktion von etwa 120.000 Flaschen gehört es nicht gerade zu den größten, doch insbesondere die Wehlener Sonnenuhr und das Graacher Himmelreich lassen Trauben heranreifen, die Jahr für Jahr einzigartige Weine versprechen. So werden die Rieslinge aus dem Hause Joh. Jos. Prüm gerade erst im Fachmagazin "Winespectator" mit bis zu 99 Punkten bewertet.

Es dauert eine Weile bis uns der Hausherr, Dr. Manfred Prüm, höchstpersönlich die Pforten öffnet. Seine Erscheinung ist stattlich: kräftiger Körperbau, volles, graues Haar, kräftige Hände. Mit strahlendem Lachen begrüßt er uns. Wir folgen ihm durch eine imposante, lichtdurchflutete Jugendstilhalle in die stattliche "Gute Stube". Hier werden Gäste empfangen, vorzugsweise bei einem Gläschen Wein oder mit einer richtigen Probe. Die Wehlener Sonnenuhr scheint dabei durch die Fenster wohlwollend zuzuschauen.
Das größte Rätsel um sein Weingeheimnis ist, dass Prüm freigiebig über seine Arbeitsweise spricht. Auf jede Frage erhalten wir eine ausführliche Antwort, bei der der Hausherr ins Schwärmen kommt und gelegentlich etwas abschweift, wie berauscht von der Faszination Wein. Dabei nippt er nur selten an seinem Weinglas, während er wohl darauf bedacht ist, dass seine Gäste nie vor leeren Gläsern sitzen. Selbst wenn er gerade scheinbar entrückt Goethes "Faust" zitierend über seine Arbeit als Winzer spricht, bleibt es ihm als Gastgeber nicht verborgen, wenn es den Gast nach mehr von seinem vorzüglichen Riesling dürstet.
Selbst beim Nachschenken hält er nicht inne. Während der Gaumen noch die feinen Nuancen der Restsüße genießt, ist Prüm schon wieder drei Sätze weiter. "Ich würde mich nicht als Traditionalisten bezeichnen", fährt Prüm fort. "Ich mag keine Ismen."

Auf modernistische Methoden verzichtet er weitgehend. Als ihn ein bekannter Kollege aus Amerika einmal fragte, ob er denn auch Nylon verwende, schüttelte Prüm nur den Kopf. Von einem Verfahren mit Nylon hatte er noch nie etwas gehört. Dennoch fragte er nicht nach, was es damit auf sich habe. Es interessierte ihn nicht. Prüm weiß, wie man mit geringst möglichen Zusätzen guten Wein macht, und dieses Wissen setzt er um. Klar und ohne irgendeine Verunsicherung. Er bleibt sich selber treu. Prüm baut zu 100 Prozent Riesling auf Devonschiefer an. Das Durchschnittsalter der Reben liegt um 50 Jahre. So sind auch heute noch 90 Prozent wurzelechte Rebstöcke, obwohl dadurch immer noch die Gefahr von Reblausbefall besteht.

Auch von der neumodischen Marotte bei vielen deutschen Winzern, den Alkoholgehalt künstlich auf französisches oder amerikanisches Niveau auf zu peppeln, hält Prüm nicht viel. Seine Weine zeichnen sich gerade durch andere Kriterien als einen hohen Alkoholgehalt aus. Was beispielsweise die Balance zwischen Säure, Restsüße, Frucht- und Schieferaromen angeht, macht ihm so schnell keiner was vor. "Alkohol ist nur Mittel zum Zweck und nicht Selbstzweck", betont Prüm. Ebenso wenig gefällt ihm das Nebeneinander der verschiedenen Weinklassifizierungen in Deutschland. Die gerade mit großem Brimborium und Werbetamtam eingeführten Etikettierung überzeugt ihn nicht. "Das ‚Große Gewächs' eine Klasse zwischen Porsche und Goethe?!" Nein, das kann es seiner Meinung nach nicht sein.

Aber auch wenn Prüm sich selber nicht als Traditionalisten sieht, ist er doch froh, dass eine Tradition in seinem Hause fortgeführt werden wird. Hinter den Ansichten und Einstellungen Prüms steht die Erfahrung einer Familie, die sich mindestens seit dem 16. Jahrhundert mit dem Kulturgut Wein beschäftigt. 1969 übernahm der ausgebildete Jurist das Gut nach seinem Vater. Und nun sieht es so aus, als würde seine älteste Tochter Katharina nach ihrem abgeschlossenen Jurastudium auch in Sachen Weinbau in die Fußstapfen ihres Vaters treten und das Gut eines Tages übernehmen. Die Freude und die Erleichterung über das Interesse der Tochter sind ihm ins Gesicht geschrieben.

Beim Weinanbau nimmt Prüm sich die Zeit, die es braucht, um einen Spitzenwein zu erzielen. Beim späten Lesetermin und der Selektion der Trauben ist er so wählerisch wie Picasso bei seiner Pinselführung. Die akribische Arbeit kostet zwar Zeit, ist aber unumgänglich. Zum Erhalten der Restsüße benutzt Prüm keinen Schwefel, wie es manch anderer tut, er sorgt für kühle Keller, um die Fermentation zu zügeln. Wer einen Riesling aus dem Hause Prüm genießen möchte, muss ebenso viel Geduld haben wie der Winzer selbst. Weine aus dem Vorjahr verlassen das Haus erst nach längerer Ruhezeit im Spätsommer.

Aber auch wenn all diese Schritte neben der optimalen Lage der Rebstöcke - Mosel, Steilhang, Schieferboden - zur Entstehung der Ausnahmeweine Prüms beitragen, so sind es dennoch nur auch anderen Winzern bekannte Arbeitsweisen. Deshalb redet Prüm wohl auch so offen darüber.

Mit der Zeit bekommen wir das Gefühl, dass Prüm uns mit seinen verschachtelten und ineinander übergehenden Sätzen über den Weinanbau nur das Gefühl gibt, dem Geheimnis seiner Weine näher zu kommen. Es verhält sich dabei ein wenig wie mit seinem Haus: Obwohl er uns die Tür öffnet und hinein bittet, kriegen wir längst nicht alles zu sehen. Durch seine aufmerksame Art und sein lebendiges Erzählen vermittelt er uns das Gefühl, selbst den Weinkeller gesehen zu haben. Doch den hat noch kein Gast zu Gesicht bekommen.

Ludger Voetz
Dr. Jörg Bockow


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