Porträts
Der alte Mann und das Board
Titus Dittmann versorgt die europäischen Kids mit
rollendem Sportgerät - als erfolgreicher Unternehmer
avancierte er zum "Entrepreneur des Jahres"

Nicht nur durch seine "Black Flys"-Sonnenbrille sieht Titus Dittmann die Welt ein wenig anders als andere Männer im reifen Alter von über 50. Der Münsteraner ist ein "Rolling Stone": Er setzt wohl nie Moos an. So dreht sich seine Welt auch heute noch um das Brett wie die vier Rollen darunter. Denn Titus ist Skater.
Der "Skater-Papst", wie ihn die Kids mit Baggy-Pants und Rollbrettern unter den Armen, die durch seinen Laden schlurfen, respektvoll nennen, ist bundesweit, ja in ganz Europa bei den Kids bekannt. Diese Nähe macht vieles einfacher für den Geschäftsmann Titus. "Wir haben nie krampfhaft überlegt: Was könnte die Zielgruppe wollen?", erläutert Titus sein Vorgehen bezüglich seiner Verkaufsstrategie. "Wir sind die Zielgruppe!" Wir, damit meint er sich und sein Team. Seine Firmenphilosophie ist so einfach wie erfolgreich: Die meisten seiner Mitarbeiter, vom Lagerpersonal bis zur Unternehmensspitze, sind aktive oder ehemalige Skateboarder.
Nun darf man sich das Leben von Titus D. nicht so vorstellen, dass er acht Stunden am Tag trainiert, um in halsbrecherischer Manier ein Treppengeländer rauf- oder runterzudüsen. "Kein Erwachsener hat dafür die Zeit", musste auch Titus einsehen. Und gerade darin sieht er das Besondere dieses Sports und Lifestyles: "Skateboarden ist pure Religion. Gegen Erwachsene, gegen Etabliertes", grinst süffisant der ehemalige Pädagoge.

Freilich, wenn Titus seine Skater-Brille abnimmt, ist er Unternehmer und Geschäftsmann. Innovativ und durchaus kühl kalkulierend. Aber auch dann sieht er Sachen, die andere nicht sehen. Das altehrwürdige Apollo-Theater, einst eines der größten Kinos der Bundesrepublik und eines der schönsten Lichtspielhäuser Münsters, war in seinen Augen eine perfekte Kultstätte für sein Jugend-Lifestyle-Kaufhaus.

Aus einer abgedrehten, verrückten Idee ist längst kommerziell erfolgreiche Wirklichkeit geworden. Hier können die Kids und Jugendlichen die Bretter ergattern, die für sie die Welt bedeuten. Dazu gibt es das passende Equipment: weite Hosen, lockere Schuhe, Capies oder Wollmützen, Helme und andere Protektoren. Im integrierten Plattenladen gibt's die neueste Scheibe, die jeder Skater haben muss. Wer nicht weiß, welche das zur Zeit gerade ist, braucht nur einen der Jungs an den Tischen in der Gastronomie fragen, die dort an einer Cola nuckeln. Und wer immer noch meint, dieser Mikrokosmos könne nicht alles sein, der kann im Jugendreisebüro ein Ticket in die USA buchen. Back to the roots.

So wie Titus es einst gemacht hat - damals, vor über 20 Jahren. Die Legenden nähren den Trend. Die jugendliche Gefolgschaft dankt es als zahlungskräftige Klientel. 1980 brachte der Münsteraner nicht nur neue Eindrücke aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten mit, sondern gleich auch ein paar Boards. Damals hatte er gerade sein Staatsexamen mit dem Titel "Skateboarding im Schulsportunterricht?" bestanden. Die Mitbringsel waren für die praktische Umsetzung gedacht. Der junge Lehrer wollte den Unterricht halt etwas spannender gestalten, als er ihn kennen gelernt hatte. Die Bretter erhielten seine Schüler zum Selbstkostenpreis.

Eine soziale Ader pocht auch heute noch im Geschäftsmann Titus. Im Bereich "edutainment & travel" sind einige Initiativen "noch nicht profitabel", gesteht Titus ein. Also in eben jenem Bereich, in dem Jugendreisen durch ganz Europa und Sommercamps angeboten und durchgeführt werden, um den Jugendlichen in einem motivationsfördernden Umfeld etwa die Kunst der Videoproduktion näher zu bringen. Der Profit steht hier aber auch nicht im Vordergrund, sondern Soziales. Das ist dem gelernten Pädagogen wichtig.

Lehrer wollte er damals nur werden, weil er das Vorurteil hatte, alle Unternehmen seien schlecht: "In meiner Jugend verband man mit Wirtschaft etwas absolut Negatives. Mit diesem Vorurteil möchte ich ein bisschen aufräumen." Die vier unternehmerischen Standbeine - Einzelhandel, Großhandel, media und events, technology und innovation - haben Titus im vergangen Jahr in der Kategorie "Handel" den durchaus angesehenen und begehrenswerten Titel "Entrepreneur des Jahres 2001" eingebracht. In den beiden vorangegangenen Jahren, in denen er jeweils Finalist bei diesem Wettbewerb geworden war, hatte Dittmann nach eigenen Angaben den Umsatz seiner Firmengruppe titus AG mit über 400 Mitarbeitern auf 70 Millionen Euro verdoppelt. Titus ist in der Domstadt ein angesehener Wirtschaftsfaktor.

Bei der Auswahl der Preisträger sind die wichtigsten Kriterien das Beschäftigungswachstum, die Innovationsfähigkeit und das Zukunftspotenzial eines mittelständischen Unternehmens. Wen wundert es da, das die Wahl auf Titus fiel. Aus dem ersten Laden, den er 1978 in einem Keller in Münster eröffnet hatte, sind bundesweit 30 Shops hervorgegangen.

Seit 20 Jahren ist Titus Dittmann der Ausrichter der offiziellen Skateboardweltmeisterschaft, die mittlerweile in den Dortmunder Westfalenhallen stattfindet und die Stars der Szene aus Amerika, Brasilien und Asien nach Deutschland lockt. So hat der hiesige Nachwuchs die Möglichkeit, die Tricks der Vorbilder live zu bestaunen und hinterher selbst auszuprobieren. Seine Website www.titus.de ist mit bis zu 17 Millionen Page Impressions im Monat eine der beliebtesten Jugendseiten Deutschlands. Der Börsengang des erfolgsverwöhnten Unternehmens ist in Planung.

Glaubt man seinen Worten, so ist Titus dennoch "im Grunde ein ängstlicher Mensch." Denn er wisse genau, wann er "den Fuß vom Gas nehmen" müsse. Ganz glauben mag man es ihm freilich nicht, ihm dem Jugendvorbild, dem großen Titus, der sich auch schon mal mit dem Fallschirm aus dem Flugzeug stürzt. Vielleicht meint er mit Angst aber nur die nicht nur im Geschäftsleben lebenswichtige Eigenschaft, sich nicht ohne die nötige Vorbereitung und passendes Equipment in das nächste Abenteuer zu stürzen. Meistens fällt Titus die Treppe aber eh eher hoch. Den umgekehrten Weg kennt er nur mit dem Board unter den Beinen. Fliegend.