Rezensionen
Winzerporträts
Weine sind wie Kinder
Helmut Dönnhoff von der Nahe

Der Vergleich hinkt und doch liegt viel Wahrheit darin: Weine sind wie Kinder. Am Anfang sind sie springlebendig und ungestüm. Mit den Jahren werden sie reifer, reicher und runder. Im Zustand der Matura dann: die Überraschung. Der eine protzt mit seiner prächtigen Entwicklung, der andere, war er doch bei ersten Proben durchaus voller vielversprechender Anlagen, erbietet im Zustand der Reife dem Winzer alles andere als die erwartete Referenz. Das ist Elternschicksal!

Helmut Dönnhoff, der Top- und Ausnahmewinzer von der Nahe, sieht sich durchaus als liebevoller und enthusiastischer Zuchtvater seiner "Geschöpfe". Vor allem, wenn sie nach Jahren des Wachstums und der Reife überraschend brillant geraten sind, erfüllt es ihn mit fast väterlichem Stolz. Und die Moral von der Geschichte? Um im Bild zu bleiben: Jeder Tropfen verlangt das gleiche konsequente Engagement, alles herauszuholen, "was in ihm steckt". Der Rest freilich ist Vertrauen - Vertrauen in die unergründlichen Wege der Natur.

Wenn Helmut Dönnhoff von seiner Arbeit spricht, dann gewinnt man den Eindruck, einen rastlosen Künstler vor sich zu haben. Nur zu gut kann man sich vorstellen, wie er in angespannter Konzentration und schöpferischer Unruhe, Haus und Hof, Familie und Nachbarn vergisst und nur bei seiner Sache ist.

Weinmachen, das ist wie ein Stafettenlauf, sagt er und verweist darauf, dass er sich für den entscheidenden Moment "topfit halten" will. "Meine Anspannung und Nervosität steigert sich bis zum Zerbersten, wenn mein Einsatz ansteht. Dann habe ich Scheuklappen auf", sagt er. "Es gibt in meiner Vorstellung nur diesen einen Moment, den ich habe, wenn ich aus den Anlagen etwas wirklich Ausgezeichnetes auf die Beine stellen will."

Vollkommenheit ist es, was ihn umtreibt. "Ich spüre einfach, dass jeder Hang, jeder Rebstock und jeder Wein, seine besondere Vollkommenheit in sich trägt. Das ist mein innerer Beweggrund." Er verweist auf Geschmackerlebnis, auf Harmonie und Ausgewogenheit, die ihm als Ziel vor Augen stehen. Über die Resultate der letzten Jahre ist er zufrieden. Ja, sie haben ihn seinem Ziel nähergebracht. Aber wirklich einverstanden ist er nur selten. Da können alle Auszeichnungen und Kammerprämierungen ihn nicht betören. "Ich kenne meine Weine in- und auswendig. Ich weiß um jede Chance, je Nuance und jede Schwachstelle und seien sie noch so klein."

Ist denn ein solcher Maßstab nicht relativ, wollen wir wissen. Über Geschmack lässt sich doch trefflich streiten?! Helmut Dönnhoff winkt ab. "Ich bin mein ärgster Kritiker, weil ich die Möglichkeiten meiner Weine kenne. Und ich habe meinen vollkommenen Wein im Kopf." Er verweist auf seinen 71er Leistenberg, eine Spätlese mit der er vor 30 Jahren mit einem Donnerschlag die Weinszene betreten hat. "Mag sein, dass meine Beurteilung heute nur noch Selbstbetrug und Legende ist, aber ich habe die Perfektion dieses Weins als mein höchstes Ziel gespeichert."

Das Weingut Hermann Dönnhoff in Oberhausen besitzt 12,5 ha Rebflächen in den allerbesten Lagen an der Nahe. Bevorzugte Rebe: Riesling - was auch anderes. Die unmittelbare Nähe zum temperaturausgleichenden Fluss bürgt für eine lange Vegetationsphase des spätreifenden Rieslings. Der vulkanische Grauschiefer-Untergrund mit einer Deckschicht aus Lößlehm verheißt Struktur und Extrakte. Tau und herbstliche Nebel befördern edelsüße Auslesen und eben nicht zuletzt jene legendären Eisweine, die Dönnhoff in den letzten Jahren sonntags, samstags oder montags eingefahren hat. Die Wochentage sind dann auf dem Etikett verzeichnet!

Mit den Erträgen des letzten Jahres ist er zufrieden, wiewohl es wegen des wechselreichen Wetters "kein einfacher Jahrgang" war. Manches musste also bei der sorgsamen selektiven Lese, beim Keltern und nicht zuletzt im Keller mit einem Kraftakt "herausgerissen" werden. Dabei verweigert sich der Traditionalist Dönnhoff mit Vehemens allem kellertechnischen Firlefanz. Die natürlichen Hefen werden genutzt. Der Ausbau erfolgt im Holzfass. Die Individualität der Weine steht im Vordergrund. Da hat man der Natur nicht ins Handwerk zu pfuschen!


Die Erfahrung macht ihm Mut und bildet einen seltsamen Ansporn. "Nur, wenn ich mich wirklich anstrengen und abrackern muss, erfüllt mich das Erreichte mit Befriedigung." Ein makelloses Jahr mit tollen Weinen kommt ihm da vor wie "ein Weltrekord mit Rückenwind". Verächtlich winkt er ab. Das verheißt für 2000 nur Gutes von den Spitzenlagen der Nahe bei Niederhausen und Schloßböckelheim: Niederhäuser Hermannshöhle, Schloßböckelheimer Kupfergrube und nicht zuletzt von der Oberhäuser Brücke, die mit ihren Auslesen und Eisweinen schließlich weltberühmt ist. Heuer kommen hier perfekt ausgewogene Spätlesen mit ganz unterschiedlichen Charaktere her - elegant, voller Extrakte und einem harmonischen Dufterlebnis. Die Dönnhoffschen Weine sind lange haltbar und werden erst in einigen Jahren ihre wahre Größe offenbaren. Zuchtmeister Hermann Dönnhoff freut sich. Wenn aus Kindern erst reife Erwachsene geworden sind.