Das
Ambiente könnte idyllischer kaum sein. Lieser
- das ist ein winziger Flecken auf der Landkarte zwischen
Bernkastel-Kues und Brauneberg. Inmitten der wunderschönen
Flusslandschaft an der Mittelmosel. Hier liegt das
Schlossgut Lieser - kaum mehr als einen Steinwurf
von der Mosel entfernt. Das Weingut residiert in den
ehemaligen Wirtschaftsgebäuden, die zu Füssen
eines imposanten, romantischen Schlosses, dem einstigen
Sitz des Freiherrn von Schorlemer liegen. Thomas Haag
führt hier erst seid wenigen Jahren das Regiment
und hat gemeinsam mit seiner Frau Ute das Haus zu
einer ansehnlichen Adresse herausgeputzt.
Thomas Haag ist voll und ganz in die Fußstapfen
seines berühmten Vaters getreten. Dieser zählt
nicht nur an der Mosel zu den deutschen Top-Winzern.
Weniger Bonus denn Verpflichtung: Als Weinmacher weiß
er davon ein Lied zu singen. Doch Thomas Haag ist
nach einer soliden Ausbildung und Erfahrungen in verschiedenen
Kellern Winzer aus Passion. Ihn fechten die höchsten
Erwartungen nicht an. Sie sind ihm Ansporn und Ziel
zugleich. Mit Enthusiasmus und einer klaren Philosophie
hat sich der sympathische Mitdreißiger binnen
weniger Jahre in der Weinwelt als junger "Aufsteiger"
zu Wort gemeldet und mit wunderbaren Weinen in die
erste Riege der deutschen Weinmacher katapultiert.
In steter Regelmäßigkeit weiß er
Weinliebhaber mit Spitzenqualitäten zu überzeugen.
"Die Basis eines guten Weines wird im Wingert
gelegt", weiß Thomas Haag und berichtet
von einem arbeitsreichen Wirtschaftsjahr, an dessen
Ende erst der wirkliche Ertrag zu kosten ist. "Es
sind eben viele Stationen zu bewältigen. Die
sorgfältige Pflege der Reben steht am Anfang.
Jeder Schritt will mit Umsicht getan werden."
Die Begeisterung ist ihm anzusehen. Solcherart Arbeit
kann Spaß und Erfüllung zugleich sein.
"Ich bin von Anfang bis Ende für das Ergebnis
verantwortlich. Und wenn ich etwas verbocke, dann
bin ich es eben selber Schuld und kann mich auf die
Suche nach meinen Fehlern machen."
Thomas Haag bewirtschaftet das Weingut zusammen mit
seiner Frau alleine. Ein sympathisches und lebensfrohes
Paar, das richtig zuzupacken weiß und auch bereits
einige harte Prüfungen, einschließlich
mehrerer Überflutungen von Haus und Hof, mit
Bravour hinter sich gebracht hat. Unterstützung
erfährt Thomas Haag in den arbeitsreichsten Wochen
durch Saisonarbeiter aus Polen. "Die kommen schon
seit Jahren zu mir und wissen genau, was sie zu machen
haben." Fehler mag sich der junge Winzer nämlich
nicht leisten.
Er hat sich ausschließlich dem Riesling verschrieben.
So ausgebaut, wie man es sich seit einigen Jahren
von der Mosel nur wünschen kann: fruchtig und
mit einer knackigen, erfrischen Säure als Gegengewicht.
So filigran strukturiert und mit seinem zarten Spiel
der Fruchtaromen macht uns der Riesling am allermeisten
Spaß - ganz gleich, ob es sich dabei um einen
jener einfachen Gutsabfüllungen, eine der Spätlesen
oder der beiden Auslesen handelt. Das Alterungspotenzial
der letzteren ist jedenfalls ganz ausgezeichnet.
Kurz vor der Traubenernte 1992 kam Thomas Haag als
Betriebsleiter und Kellermeister in das marode Weingut.
Damals befand es sich in schlechtem Zustand, war ohne
Kundenstamm und Flaschenweinbestand. Doch bereits
der erste Jahrgang trug die Handschrift des jungen
Wilden, obwohl er erst zum Ende des Weinjahres seine
Arbeit aufgenommen hatte. Das Resultat fand bei Verkostungen
große Anerkennung.
1997 konnte Thomas Haag das Weingut käuflich
erwerben und besitzt nun eine Rebfläche von 7
ha. Seine Reben stehen in sechs verschiedenen Lagen:
Lieser Niederberg Helden, Lieser Süßenberg,
Lieser Schlossberg, Graacher Himmelreich, Graacher
Domprobst und Bernkasteler Schlossberg. Aber nur seine
Toplage "Lieser Niederberg Helden" erscheint
auf dem Etikett, die anderen füllt Thomas Haag
unter dem Gutsnamen ab.
"Mit einem durchschnittlichen Ertrag von 60 hl/ha
achten wir auf eine sehr konsequente Mengenreduzierung",
erklärt Haag. Mittels einer strengen selektiven
Handlese in mehreren Durchgängen werden in den
schwerzugänglichen Steillagen nur vollreife Trauben
geerntet. Anschließend erfolgt eine zügige,
aber äußerst schonende Abpressung des Leseguts.
Die
sorgfältig vorgeklärten Moste werden je
nach Charakter im Holzfass oder Edelstahltank zu einer
langsamen, unter kühlen Temperaturen verlaufenden
Gärung eingelagert. Dabei vertraut man allein
auf die natürlichen Hefen. Zusätze sind
verpönt. Bei der gewünschten natürlichen
Restsüße erfolgt ein traditioneller Abstich,
d.h. der junge Wein wird von der Hefe abgezogen. Die
Restsüße, die dem Wein verbleibt, ist also
ein originärer Bestandteil des ursprünglichen
Mostes, so dass jede Eigenheit und die Persönlichkeit
des Weines erhalten bleibt.
Der
aktuelle Jahrgang blickt auf eine abwechslungsreiche
Witterung zurück. Eine große Herausforderung
für jeden Winzer. "Jedes Wetter", berichtet
Thomas Haag mit einem leichten Seufzer. "Sommerliche
Monate im Mai und Juni haben uns einen frühen
Austrieb, einzügiges Wachstum sowie eine extrem
frühe Blüte beschert. Der Juli hat uns aber
mit kühlen Temperaturen und hohen Niederschlägen
schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt
und jeden Vorsprung verspielt." Dass sich nach
einem mäßigen Herbst der Ergebnis dennoch
mit guten Weinen zeigt, kann allein strenger Selektion
und einer immensen Anstrengung im Weinkeller zugerecht
werden. "Wenn die Witterung so extrem ist wie
2000, sind wir im Keller umso stärker gefordert."
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