Franz
steckt noch in der Maske. Die Schweißperlen
sollen weggepudert werden. Das hatte Franz
sich so auch nicht vorgestellt. Normalerweise
steht der Fast-Vierziger in einem mittelständischen
Unternehmen als Vertriebsleiter seinen Mann.
Hart aber herzlich, wie ihm seine Kollegen
respektvoll attestieren. Ohne mit der Wimper
zu zucken und durchsetzungsfähig. Nur
hier auf der Terrasse des Hotel Krautkrämer,
hier ist plötzlich alles ganz anders.
Der Vertriebsleiter muss gleich raus ins
grelle Licht der aufgestellten Scheinwerfer
und vor die laufende Kamera. Er mimt den
schrulligen Kommissar in einem Kurzkrimi.
Dabei hat er nur einen einzigen Satz zu
sprechen in dem selbstausgedachten Drehbuch
und im selbstinszenierten Werbe-Clip. Und
jetzt rinnen ihm vor Aufregung die Schweißperlen
die Stirn hinunter. Starallüren? Nein.
Reines Lampenfieber.
Franz ist einer von 12 Führungskräften,
die sich im Hotel Krautkrämer eingefunden
haben, um an einem ungewöhnlichen Teamtraining
teilzunehmen. Er will lernen, wie er mit
seiner sechsköpfigen Vertriebsmannschaft
kooperativer umgeht. Durch Teamgeist höhere
Motivation und mehr Engagement und letztlich
auch mehr Leistung bekommt. Dafür drückt
er quasi noch einmal die Schulbank. Aber
statt des erwarteten Workshops mit Flipcharts
und Moderationswänden oder angeseilt
in einer Kletterwand eines schicken Outdoortrainings
sieht er sich seid Beginn des Teamworkshops
als Teil eines Filmteams, das an diesem
Wochenende einen Film produzieren soll -
von der Idee, über das Storyboard,
den Dreh und Schnitt bis hin zum fertigen
Film.
Viel Zeit bleibt den Managern nicht. Donnerstagnachmittag
sind sie angereist und haben sich am Abend
bei einem coming-together kennen gelernt.
Ab Freitagmorgen läuft die Uhr. Die
Aufgabe ist klar umrissen, das Thema vorgegeben.
Equipment und die nötigen Fachleute
für Kamera, Ton und Schnitt stehen
bereit. Am Freitagabend um 22.00 Uhr soll
der fertige Film vorgeführt und im
kreativen Wettbewerb mit der anderen Gruppe
beurteilt werden. Alle Teilnehmer bekommen
eine Videokopie mit nach Hause - als Andenken
und als stete Mahnung an die erlernten Fähigkeiten
und die neuen Erkenntnisse.
Entziehen kann sich der Inszenierung niemand:
Schon die erste Aussprache über die
verschiedenen Aufgaben am Set erfordern
Abstimmung und ein hohes Maß an Teamgeist.
Ohne dass sie es merken, stecken die Teilnehmer
mitten in einem aufregenden Gruppen-Prozess.
Wer kann wie seine Kreativität einbringen?
Wer motiviert die Gruppe? Wer behindert
die anderen? Wer übernimmt die Führung?
Gruppendynamik pur. Das bringt selbst hartgesottene
Manager in Wallung. Denn die Klippen und
Hürden werden im Verlaufe der Arbeit
immer höher. Die Anforderungen steigen
und im Hintergrund tickt dauernd die Uhr.
Denn abends ist der Clip in der Vorführung,
wie auch immer er aussieht; und er sollte
nicht nur zur Erheiterung der interessierten
Firmenleitung beitragen!
Die Moderatoren geben im Verlauf des Prozesses
Tipps und Hinweise, regen zu Reflexionen
an und spiegeln bestimmte Abläufe,
um sie bewusst zu machen. Aber im Prinzip
muss die Gruppe alleine ihre Aufgaben und
Herausforderungen lösen. Allein die
Filmcrew hinter den Kulissen erweist sich
als dienstbare Geister. Sie sollen die technischen
Probleme optimal lösen, damit am Ende
auch ein vorzeigbares Produkt entsteht.
Berührungsängste mit der Technik
sind also überflüssig. Die Crew
meistert auch anspruchsvolle Anforderungen.
Professionelles Equipment stellt sie bereit:
Gleißende Scheinwerfer, Mikrofone,
Kameras und Stative und nicht zuletzt den
professionelle Schnitt in den Edit-Suiten,
die Ton- und Grafik-Effekte, die Monitore.
Doch bevor die erste Klappe fällt muss
erst die Geschichte geschrieben und in ein
sogenanntes Storyboard übersetzt werden.
Die Wege der Dramaturgie werden in einer
kleinen Moderation vorgestellt. Die Filmprofis
führen in die ersten Aufgaben ein und
erlauben dabei auch einen Blick hinter die
Kulissen des spannenden Metiers.
Die Idee zu diesem neuartigen Managertraining
stammt von Michael Rickert, der mit der
Firma K-Film- und Fernsehproduktion in Münster
eine professionelle Filmwerkstatt betreibt.
Professionelle Standards sind ihm als langjährigen
Regisseur und Filmproducer bestens vertraut.
Er produziert Werbespots, Image- und Industriefilme.
Einige seiner Beiträge wurden im Fernsehen
ausgestrahlt. Als Pädagoge im Metier
weiß er allerdings auch um den gruppendynamischen
Aspekt dieser kreativen Arbeit. Zusammen
mit der Hamburger Eventagentur Attentis
hat man sich zusammengefunden, um derartige
Workshops als Trainings anzubieten.
Beim Schreiben des Konzeptes erkannte man
schnell die ungeheueren Möglichkeiten,
die in diesem noch gänzlichen neuen
Medium stecken. Denn selbst mit größeren
Gruppen lassen sich derartige Workshops
durchführen. Selbst als exklusives
Firmen-Event oder für einen ungewöhnlichen
Betriebsausflug kann schließlich die
Kamera in Aktion treten. Je nach Erfordernis
stehen einmal die Trainingseffekte im Vordergrund,
ein andermal geht es allein um Spaß
und Unterhaltung. Dass der auch im professionellen
Managertraining nicht zu kurz kommt, versteht
sich von selbst.
Nachdem Franz nun schon zum fünften
Mal seinen entscheidenden Satz verhaspelt
hat, liegen er und die gesamte Crew vor
Lachen am Boden. Franz verlangt ein Double
- keine Frage, als Vertriebsmanager hat
er dazu das Recht. Aber Recht haben und
ein Double bekommen, das sind am Set zwei
Dinge!
Dr.
Jörg Bockow
www.tagungshotel-krautkraemer.de
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