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Das
größte Rätsel um sein Weingeheimnis
ist, dass Prüm freigiebig über
seine Arbeitsweise spricht. Auf jede Frage
erhalten wir eine ausführliche Antwort,
bei der der Hausherr ins Schwärmen
kommt und gelegentlich etwas abschweift,
wie berauscht von der Faszination Wein.
Dabei nippt er nur selten an seinem Weinglas,
während er wohl darauf bedacht ist,
dass seine Gäste nie vor leeren Gläsern
sitzen. Selbst wenn er gerade scheinbar
entrückt Goethes "Faust"
zitierend über seine Arbeit als Winzer
spricht, bleibt es ihm als Gastgeber nicht
verborgen, wenn es den Gast nach mehr von
seinem vorzüglichen Riesling dürstet.
Selbst
beim Nachschenken hält er nicht inne.
Während der Gaumen noch die feinen
Nuancen der Restsüße genießt,
ist Prüm schon wieder drei Sätze
weiter. "Ich würde mich nicht
als Traditionalisten bezeichnen", fährt
Prüm fort. "Ich mag keine Ismen."
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Auf
modernistische Methoden verzichtet er
weitgehend. Als ihn ein bekannter Kollege
aus Amerika einmal fragte, ob er denn
auch Nylon verwende, schüttelte Prüm
nur den Kopf. Von einem Verfahren mit
Nylon hatte er noch nie etwas gehört.
Dennoch fragte er nicht nach, was es damit
auf sich habe. Es interessierte ihn nicht.
Prüm weiß, wie man mit geringst
möglichen Zusätzen guten Wein
macht, und dieses Wissen setzt er um.
Klar und ohne irgendeine Verunsicherung.
Er bleibt sich selber treu. Prüm
baut zu 100 Prozent Riesling auf Devonschiefer
an. Das Durchschnittsalter der Reben liegt
um 50 Jahre. So sind auch heute noch 90
Prozent wurzelechte Rebstöcke, obwohl
dadurch immer noch die Gefahr von Reblausbefall
besteht.
Auch
von der neumodischen Marotte bei vielen
deutschen Winzern, den Alkoholgehalt künstlich
auf französisches oder amerikanisches
Niveau auf zu peppeln, hält Prüm
nicht viel. Seine Weine zeichnen sich
gerade durch andere Kriterien als einen
hohen Alkoholgehalt aus. Was beispielsweise
die Balance zwischen Säure, Restsüße,
Frucht- und Schieferaromen angeht, macht
ihm so schnell keiner was vor. "Alkohol
ist nur Mittel zum Zweck und nicht Selbstzweck",
betont Prüm. Ebenso wenig gefällt
ihm das Nebeneinander der verschiedenen
Weinklassifizierungen in Deutschland.
Die gerade mit großem Brimborium
und Werbetamtam eingeführten Etikettierung
überzeugt ihn nicht. "Das Große
Gewächs' eine Klasse zwischen Porsche
und Goethe?!" Nein, das kann es seiner
Meinung nach nicht sein.
Aber
auch wenn Prüm sich selber nicht
als Traditionalisten sieht, ist er doch
froh, dass eine Tradition in seinem Hause
fortgeführt werden wird. Hinter den
Ansichten und Einstellungen Prüms
steht die Erfahrung einer Familie, die
sich mindestens seit dem 16. Jahrhundert
mit dem Kulturgut Wein beschäftigt.
1969 übernahm der ausgebildete Jurist
das Gut nach seinem Vater. Und nun sieht
es so aus, als würde seine älteste
Tochter Katharina nach ihrem abgeschlossenen
Jurastudium auch in Sachen Weinbau in
die Fußstapfen ihres Vaters treten
und das Gut eines Tages übernehmen.
Die Freude und die Erleichterung über
das Interesse der Tochter sind ihm ins
Gesicht geschrieben.
Beim
Weinanbau nimmt Prüm sich die Zeit,
die es braucht, um einen Spitzenwein zu
erzielen. Beim späten Lesetermin
und der Selektion der Trauben ist er so
wählerisch wie Picasso bei seiner
Pinselführung. Die akribische Arbeit
kostet zwar Zeit, ist aber unumgänglich.
Zum Erhalten der Restsüße benutzt
Prüm keinen Schwefel, wie es manch
anderer tut, er sorgt für kühle
Keller, um die Fermentation zu zügeln.
Wer einen Riesling aus dem Hause Prüm
genießen möchte, muss ebenso
viel Geduld haben wie der Winzer selbst.
Weine aus dem Vorjahr verlassen das Haus
erst nach längerer Ruhezeit im Spätsommer.
Aber
auch wenn all diese Schritte neben der
optimalen Lage der Rebstöcke - Mosel,
Steilhang, Schieferboden - zur Entstehung
der Ausnahmeweine Prüms beitragen,
so sind es dennoch nur auch anderen Winzern
bekannte Arbeitsweisen. Deshalb redet
Prüm wohl auch so offen darüber.
Mit
der Zeit bekommen wir das Gefühl,
dass Prüm uns mit seinen verschachtelten
und ineinander übergehenden Sätzen
über den Weinanbau nur das Gefühl
gibt, dem Geheimnis seiner Weine näher
zu kommen. Es verhält sich dabei
ein wenig wie mit seinem Haus: Obwohl
er uns die Tür öffnet und hinein
bittet, kriegen wir längst nicht
alles zu sehen. Durch seine aufmerksame
Art und sein lebendiges Erzählen
vermittelt er uns das Gefühl, selbst
den Weinkeller gesehen zu haben. Doch
den hat noch kein Gast zu Gesicht bekommen.
Ludger
Voetz
Dr. Jörg Bockow
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